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zu werden.
Man hatte zu Ehren des Prinzen, der nun in kurzem abgehen sollte, noch ein grosses
Gastmahl angestellt. Viele Damen aus der Nachbarschaft waren geladen, und die
Graefin hatte sich beizeiten angezogen. Sie hatte diesen Tag ein reicheres Kleid
angelegt, als sie sonst zu tun gewohnt war. Frisur und Aufsatz waren gesuchter, sie war
mit allen ihren Juwelen geschmueckt. Ebenso hatte die Baronesse das moegliche
getan, um sich mit Pracht und Geschmack anzukleiden.
Philine, als sie merkte, dass den beiden Damen in Erwartung ihrer Gaeste die Zeit zu
lang wurde, schlug vor, Wilhelmen kommen zu lassen, der sein fertiges Manuskript zu
ueberreichen und noch einige Kleinigkeiten vorzulesen wuensche. Er kam und
erstaunte im Hereintreten ueber die Gestalt, ueber die Anmut der Graefin, die durch
ihren Putz nur sichtbarer geworden waren. Er las nach dem Befehle der Damen, allein
so zerstreut und schlecht, dass, wenn die Zuhoererinnen nicht so nachsichtig gewesen
waeren, sie ihn gar bald wuerden entlassen haben.
Sooft er die Graefin anblickte, schien es ihm, als wenn ein elektrischer Funke sich vor
seinen Augen zeigte; er wusste zuletzt nicht mehr, wo er Atem zu seiner Rezitation
hernehmen solle. Die schoene Dame hatte ihm immer gefallen; aber jetzt schien es
ihm, als ob er nie etwas Vollkommneres gesehen haette, und von den tausenderlei
Gedanken, die sich in seiner Seele kreuzten, mochte ungefaehr folgendes der Inhalt
sein:
Wie toericht lehnen sich doch so viele Dichter und sogenannte gefuehlvolle Menschen
gegen Putz und Pracht auf und verlangen nur in einfachen, der Natur angemessenen
Kleidern die Frauen alles Standes zu sehen. Sie schelten den Putz, ohne zu bedenken,
dass es der arme Putz nicht ist, der uns missfaellt, wenn wir eine haessliche oder
minder schoene Person reich und sonderbar gekleidet erblicken; aber ich wollte alle
Kenner der Welt hier versammeln und sie fragen, ob sie wuenschten, etwas von diesen
Falten, von diesen Baendern und Spitzen, von diesen Puffen, Locken und leuchtenden
Steinen wegzunehmen. Wuerden sie nicht fuerchten, den angenehmen Eindruck zu
stoeren, der ihnen hier so willig und natuerlich entgegenkommt? Ja, "natuerlich" darf ich
wohl sagen! Wenn Minerva ganz geruestet aus dem Haupte des Jupiter entsprang, so
scheinet diese Goettin in ihrem vollen Putze aus irgendeiner Blume mit leichtem Fusse
hervorgetreten zu sein.
Er sah sie oft im Lesen an, als wenn er diesen Eindruck sich auf ewig einpraegen
wollte, und las einigemal falsch, ohne darueber in Verwirrung zu geraten, ob er gleich
sonst ueber die Verwechselung eines Wortes oder Buchstabens als ueber einen
leidigen Schandfleck einer ganzen Vorlesung verzweifeln konnte.
Ein falscher Laerm, als wenn die Gaeste angefahren kaemen, machte der Vorlesung
ein Ende; die Baronesse ging weg, und die Graefin, im Begriff, ihren Schreibtisch
zuzumachen, der noch offenstand, ergriff ein Ringkaestchen und steckte noch einige
Ringe an die Finger. "Wir werden uns bald trennen", sagte sie, indem sie ihre Augen auf
das Kaestchen heftete; "nehmen Sie ein Andenken von einer guten Freundin, die nichts
lebhafter wuenscht, als dass es Ihnen wohl gehen moege." Sie nahm darauf einen Ring
heraus, der unter einem Kristall ein schoen von Haaren geflochtenes Schild zeigte und
mit Steinen besetzt war. Sie ueberreichte ihn Wilhelmen, der, als er ihn annahm, nichts
zu sagen und nichts zu tun wusste, sondern wie eingewurzelt in den Boden dastand.
Die Graefin schloss den Schreibtisch zu und setzte sich auf ihren Sofa.
"Und ich soll leer ausgehn", sagte Philine, indem sie zur rechten Hand der Graefin
niederkniete; "seht nur den Menschen, der zur Unzeit so viele Worte im Munde fuehrt
und jetzt nicht einmal eine armselige Danksagung herstammeln kann. Frisch, mein
Herr, tun Sie wenigstens pantomimisch Ihre Schuldigkeit, und wenn Sie heute selbst
nichts zu erfinden wissen, so ahmen Sie mir wenigstens nach."
Philine ergriff die rechte Hand der Graefin und kuesste sie mit Lebhaftigkeit. Wilhelm
stuerzte auf seine Knie, fasste die linke und drueckte sie an seine Lippen. Die Graefin
schien verlegen, aber ohne Widerwillen.
"Ach!" rief Philine aus, "so viel Schmuck hab ich wohl schon gesehen, aber noch nie
eine Dame, so wuerdig, ihn zu tragen. Welche Armbaender! aber auch welche Hand!
Welcher Halsschmuck! aber auch welche Brust!"
"Stille, Schmeichlerin!" rief die Graefin.
"Stellt denn das den Herrn Grafen vor?" sagte Philine, indem sie auf ein reiches
Medaillon deutete, das die Graefin an kostbaren Ketten an der linken Seite trug.
"Er ist als Braeutigam gemalt", versetzte die Graefin.
"War er denn damals so jung?" fragte Philine, "Sie sind ja nur erst, wie ich weiss,
wenige Jahre verheiratet."
"Diese Jugend kommt auf die Rechnung des Malers", versetzte die Graefin.
"Es ist ein schoener Mann", sagte Philine. "Doch sollte wohl niemals", fuhr sie fort,
indem sie die Hand auf das Herz der Graefin legte, "in diese verborgene Kapsel sich ein
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