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denn wenn sie auch größtenteils aus der Natur der Dinge hervorgehen, so muß man doch diese Natur
meistens selbst erst durch die Erfahrung kennenlernen; außerdem aber wird die Anwendung von so vielen
Umständen modifiziert, daß die Wirkungen nie aus der bloßen Natur des Mittels vollständig erkannt werden
können.
Die Wirkung des Pulvers, dieses großen Agens für unsere kriegerische Tätigkeit, ist bloß durch die Erfahrung
erkannt worden, und noch zu dieser Stunde ist man unaufhörlich durch Versuche beschäftigt, sie genauer zu
erforschen. Daß eine eiserne Kugel, der man durch das Pulver eine Geschwindigkeit von 1000 Fuß in der
Sekunde gegeben hat, alles zerschmettert, was sie von lebenden Wesen in ihrem Lauf berührt, versteht sich
freilich von selbst, es bedarf dazu keiner Erfahrung; aber wie viel Hundert Nebenumstände bestimmen diese
Wirkung genauer, die zum Teil nur durch die Erfahrung erkannt werden können. Und die physische Wirkung
ist ja nicht die einzige, die wir zu beachten haben; die moralische ist es ja, welche wir suchen, und es gibt
kein anderes Mittel, dieses kennen und schätzen zu lernen, als die Erfahrung. Im Mittelalter, als die
Feuerwaffen eben erst erfunden waren, war die physische Wirkung der unvollkommenen Einrichtung wegen
natürlich viel geringer als jetzt, ihre moralische war aber viel größer. Man muß die Standhaftigkeit eines jener
Haufen, die Bonaparte in seinem Eroberungsdienst erzogen und angeführt hat, im stärksten und anhaltendsten
Geschützfeuer gesehen haben, um sich einen Begriff davon zu machen, was eine in langer Übung der Gefahr
gestählte Truppe leisten kann, die durch eine reiche Siegesfülle zu dem edlen Satze gelangt ist, sich selbst die
höchsten Forderungen zu machen. In der bloßen Vorstellung würde man es nie glauben. Von der anderen
Seite ist es eine bekannte Erfahrung, daß es noch heut in den europäischen Heeren Truppen gibt wie Tataren,
Kosaken, Kroaten, deren Haufen durch ein paar Kanonenschüsse jedesmal zerstreut werden. Aber keine
Erfahrungswissenschaft, und folglich auch nicht die Theorie der Kriegskunst, ist imstande, ihre Wahrheiten
immer von den historischen Beweisen begleiten zu lassen; teils würde es schon der bloßen Weitläuftigkeit
wegen unmöglich sein, teils würde es auch schwer sein, die Erfahrung in den einzelnen Erscheinungen
nachzuweisen. Findet man im Kriege, daß irgendein Mittel sich einmal sehr wirksam gezeigt hat, so wird es
wiederholt; einer macht es dem anderen nach, es wird förmlich Mode, und auf diese Weise kommt es, auf die
Erfahrung gestützt, in den Gebrauch und nimmt seinen Platz in der Theorie ein, die dabei stehenbleibt, sich
im allgemeinen auf die Erfahrung zu berufen, um seinen Ursprung anzudeuten, nicht aber, um es zu
beweisen. Ganz anders ist es aber, wenn die Erfahrung gebraucht werden soll, um ein gebräuchliches Mittel
zu verdrängen, ein zweifelhaftes festzustellen, oder ein neues einzuführen; dann müssen einzelne Beispiele
aus der Geschichte zum Beweise aufgestellt werden.
Wenn man nun den Gebrauch eines historischen Beispiels näher betrachtet, so ergeben sich dafür vier leicht
zu unterscheidende Gesichtspunkte.
Zuerst kann man dasselbe als eine bloße Erläuterung des Gedankens brauchen. Es ist nämlich bei jeder
abstrakten Betrachtung sehr leicht, falsch oder auch gar nicht verstanden zu werden; wo der Autor dies
fürchtet, dient ein historisches Beispiel dazu, dem Gedanken das fehlende Licht zu geben, und zu sichern, daß
Autor und Leser beieinanderbleiben.
Zweitens kann es als eine Anwendung des Gedankens dienen, weil man bei einem Beispiel Gelegenheit hat,
die Behandlung derjenigen kleineren Umstände zu zeigen, die bei dem allgemeinen Ausdruck des Gedankens
nicht alle mit aufgefaßt werden konnten; denn darin besteht ja der Unterschied zwischen Theorie und
Erfahrung. Diese beiden Fälle sind die des eigentlichen Beispiels; die beiden folgenden gehören zum
historischen Beweis.
Sechstes Kapitel: Über Beispiele 72
Inhalt
Drittens kann man sich nämlich auf ein historisches Faktum beziehen, um damit dasjenige, was man gesagt
hat, zu belegen. Dies ist in allen Fällen hinreichend, wo man bloß die Möglichkeit einer Erscheinung oder
Wirkung dartun will.
Endlich kann man viertens aus der umständlichen Darstellung eines historischen Ereignisses und aus der
Zusammenstellung mehrerer irgendeine Lehre ziehen, die also in diesem Zeugnis selbst ihren waren Beweis
findet.
Bei dem ersten Gebrauch kommt es meistens nur auf eine flüchtige Erwähnung des Falles an, weil man ihn
nur einseitig benutzt. Es ist dabei selbst die historische Wahrheit eine Nebensache, ein erfundenes Beispiel
könnte auch dienen; nur haben historische immer den Vorzug, praktischer zu sein und den Gedanken,
welchen sie erläutern, dem praktischen Leben selbst näher zu führen.
Der zweite Gebrauch setzt eine umständlichere Darstellung des Falles voraus, nur ist die Richtigkeit dabei
wieder Nebensache, und in dieser Beziehung dasselbe zu sagen, was wir vom ersten Fall gesagt haben.
Beim dritten Gebrauch reicht meistens die bloße Angabe eines unzweifelhaften Faktums hin. Wenn man die
Behauptung aufstellt, daß verschanzte Stellungen unter gewissen Bedingungen ihren Zweck erfüllen können,
so braucht man bloß die Stellung vom Bunzelwitz zu nennen, um diese Behauptung zu belegen.
Soll aber durch die Darstellung eines historischen Falles irgendeine allgemeine Wahrheit erwiesen werden, so
muß dieser Fall in allem, was Bezug auf die Behauptung hat, genau und umständlich entwickelt, er muß
gewissermaßen vor dem Auge des Lesers sorgfältig aufgebaut werden. Je weniger dies zu erreichen ist, um so
schwächer wird der Beweis, und um so mehr wird es nötig, was dem einzelnen Fall an Beweiskraft abgeht,
durch die Menge der Fälle zu ersetzen, weil man nämlich mit Recht voraussetzt, daß die näheren Umstände,
die man nicht imstande gewesen ist, anzugeben, in einer gewissen Anzahl von Fällen ihren Wirkungen nach
sich ausgeglichen haben werden.
Wenn man aus der Erfahrung beweisen will, daß die Reiterei besser hinter als neben dem Fußvolk steht, daß
es bei nicht entscheidender Übermacht höchst gefährlich ist, den Gegner sowohl in einer Schlacht als auf dem
Kriegstheater, also sowohl taktisch als strategisch mit getrennten Kolonnen weit zu umfassen, so reicht es in
dem ersten Fall nicht hin, einige verlorene Schlachten zu nennen, wo die Reiterei auf den Flügeln, und ein
paar gewonnene, wo sie hinter dem Fußvolk stand, und im letzten Fall reicht es nicht hin, an die Schlachten
von Rivoli oder Wagram, an die Angriffe der Österreicher auf das italienische Kriegstheater 1796 oder der
Franzosen auf das deutsche in eben diesem Feldzug zu erinnern, sondern es muß durch eine genaue
Verfolgung aller Umstände und der einzelnen Vorgänge dargetan werden, auf welche Weise jene Formen der
Stellung und des Angriffs wesentlich zum schlechten Ausgang beigetragen haben. Dann wird sich auch
ergeben, inwieweit jene Formen verwerflich sind, welches notwendig mitbestimmt werden muß, weil eine
ganz allgemeine Verwerfung jedenfalls die Wahrheit verletzen würde.
Daß man, wenn die umständliche Darlegung des Faktums nicht tunlich ist, die fehlende Beweiskraft durch
die Anzahl der Beispiele ergänzen kann, haben wir schon eingeräumt, aber es ist nicht zu leugnen, daß dies
ein gefährlicher Ausweg ist, der häufig gemißbraucht wird. Statt eines sehr umständlich dargelegten Falles
begnügt man sich, drei oder vier bloß zu berühren, und gewinnt dadurch den Schein eines starken Beweises.
Aber es gibt Gegenstände, wo ein ganzes Dutzend aufgeführter Fälle nichts beweist, wenn sie sich nämlich
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